Barrierefreiheit ist ein Menschenrecht. Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, kurz BFSG, wird sie 2025 auch im Digitalen zur Pflicht. Dieses fast unaussprechliche Gesetz ist ausgesprochen wichtig für uns als inklusive Gesellschaft. Und es bietet außerdem Potenzial für Eure Website. Was Ihr über Barrierefreiheit im Web und das BFSG wissen müsst und was jetzt zu tun ist, erfahrt Ihr in diesem Blogbeitrag.
Inhaltsverzeichnis
Barrierefreiheit einer Website: allgemeine Vorteile und Gesetze
Rampen als barrierefreie Alternative zur Treppe oder die Lupe am Griff des Einkaufswagens – Maßnahmen zur Herstellung von Barrierefreiheit kennt Ihr sicher aus dem Alltag. Sie machen es Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen etwas leichter, am öffentlichen Leben teilzuhaben – ohne dabei auf externe Hilfe angewiesen zu sein oder wesentlich mehr Zeit und Energie aufwenden zu müssen, um ans gleiche Ziel zu kommen wie Menschen ohne Behinderung. Und durch das BFSG soll Barrierefreiheit zukünftig auch auf Websites umgesetzt werden. Wir als Digital-Experten geben Euch dazu nicht nur hilfreiches Wissen an die Hand, sondern begleiten Euch auch gerne im Prozess zur barrierefreien Website.
Barrierefreie Websites – für wen ist das hilfreich?
Digitale Barrierefreiheit bringt Vorteile für alle Nutzer. Sie schafft gleiche Bedingungen und macht vieles etwas einfacher. Denn barrierefreie Websites können auch mit einer Beeinträchtigung bedient werden. Davon profitieren nicht nur die rund 8 Millionen Menschen mit einer schweren Behinderung in Deutschland. Sondern wir alle. Beeinträchtigungen können nämlich unterschiedlich ausgeprägt sein:
- dauerhafte Beeinträchtigung bzw. Behinderung,
- vorübergehende Beeinträchtigung, etwa durch verheilende Krankheit oder Verletzung,
- situationsbedingte Beeinträchtigung, zum Beispiel Umgebungslärm, Multitasking o. ä.
Und sie können verschiedene Sinne und Fähigkeiten umfassen:
- Sehen (visuelle Beeinträchtigungen),
- Hören (auditive Beeinträchtigungen),
- Tasten/Bewegen (sensorische bzw. motorische Beeinträchtigung),
- Verstehen (kognitive Beeinträchtigung).
Wer seine Website barrierefrei gestaltet, erreicht mehr Menschen und verbessert die Usability für bestehende Nutzer. Eine echte Win-Win-Entscheidung also.
Was macht (m)eine Website barrierefrei?
Eins vorab: 100 % Barrierefreiheit gibt es im Web leider nicht. Aber es gibt zahlreiche Maßnahmen, mit denen wir auch im Digitalen Barrieren abbauen können, um Websites noch mehr Menschen noch besser zugänglich machen zu können.
Im Sinne des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes gelten Websites und andere digitale Angebote als barrierefrei, wenn sie die folgenden 4 Eigenschaften haben:
- wahrnehmbar,
- bedienbar,
- verständlich,
- robust.
Barrierefreiheit im Web: Wahrnehmbarkeit erhöhen
Die Eigenschaften an die Barrierefreiheit einer Website müssen für alle Menschen gleichermaßen gegeben sein. Für Menschen, die in einem Bereich eine eingeschränkte Wahrnehmung haben, müssen Alternativen geschaffen werden. Relevante, nicht textliche Inhalte, sollten zum Beispiel einen Alternativtext, kurz Alt-Text, haben. Der ist Teil des HTML-Codes einer Website und bietet im Idealfall eine prägnante und aussagekräftige Beschreibung dessen, was visuelle Inhalte zeigen. So können auch Menschen mit Sehbeeinträchtigungen einen Eindruck davon bekommen, was zum Beispiel auf einem Bild zu sehen ist. Denn Screenreader lesen den Alt-Text vor oder spezielle Hardware gibt ihn in Blindenschrift (Braille) aus.
Weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Wahrnehmbarkeit können Untertitel und Transkripte bei Videos oder eine einheitliche Definition von Schriften sein. Text-Hierarchien sollten beispielsweise immer im HTML-Code definiert werden, damit Screenreader eine Chance haben, die Inhalte entsprechend auditiv wiederzugeben.
Übrigens: Das baut nicht nur Barrieren ab, sondern zahlt sich auch im Sinne der Suchmaschinenoptimierung (SEO) aus. Denn Suchmaschinen wie Google wissen, dass Alt-Texte Vorteile im Sinne der Barrierefreiheit für Websites bringen – das gibt erste Pluspunkte. Außerdem ist es für die Suchmaschinen so einfacher, die Inhalte Ihrer Seite in Gänze zu verstehen und zu bewerten. Zudem helfen sie, auch in der Bildersuche zu ranken.
Bedienbarkeit als Indikator für die Barrierefreiheit einer Website
Der zweite wichtige Faktor ist die Bedienbarkeit. Denn nicht alle Menschen können sowohl eine Tastatur als auch eine Maus bedienen. Deshalb sollte gewährleistet sein, dass Eure Website zum Zweck der Barrierefreiheit beispielsweise nur mit einer Tastatur, nur mit einem Screenreader oder nur mit einem Eyetracker bedienbar ist. Je besser Inhalte für verschiedene Arten der Wahrnehmung optimiert sind, desto einfacher lassen sie sich auch hinsichtlich der Bedienbarkeit anpassen.
Barrierefreie Internetseiten: Verständlichkeit hat Priorität
Mindestens genauso wichtig ist, Inhalte und Strukturen verständlich zu gestalten. Das fängt bei der Navigation an und hört bei den Formulierungen von Texten auf. Sehr komplexe Strukturen sorgen bei niemandem für eine gute Nutzungserfahrung und machen eine Website nicht barrierefrei. Deshalb sollten sowohl der strukturelle Aufbau Eurer Website als auch die Navigation möglichst einfach und logisch aufgebaut sein. Auch die Texte sollten nicht zu komplex werden und so geschrieben sein, dass alle sie verstehen – und natürlich trotzdem nach Eurer Marke klingen.
Robuste Websites bieten mehr Barrierefreiheit
Das letzte Merkmal einer barrierefreien Website ist die Robustheit. Das heißt nichts anderes, als dass sie auf allen gängigen Geräten und mit allen gängigen Betriebssystemen gleich gut wahrnehmbar, bedienbar und verständlich ist. Heute ist es bereits Standard, dass Websites responsiv – also sich auf verschiedene Endgeräte anpassend – designt und dementsprechend technisch umgesetzt werden. Im Rahmen einer guten Qualitätssicherung kann dieser Faktor für die Barrierefreiheit einer Website also bereits abgedeckt werden, indem genau geprüft wird, ob Maßnahmen für die Wahrnehmbarkeit, die Bedienbarkeit und die Verständlichkeit auch responsiv einwandfrei funktionieren.
Ist Eure Website bereit für das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz? Eine Analyse Eurer Website ist es wert:
Wer bestimmt, was barrierefrei ist?
Letztendlich bestimmt der Gesetzgeber, was Inhalt des BFSG ist. Aber der hat das Rad nicht neu erfunden. Das Gesetz für die Barrierefreiheit einer Website orientiert sich am World Wide Web Consortium (W3C). Das ist ein internationales Gremium, das in verschiedenen Bereichen Empfehlungen für Standards im Web gibt. Dessen Empfehlungen für Barrierefreiheit – die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) – dienen als Grundlage für das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Weil sich die WCAG-Empfehlungen regelmäßig verändern, ist damit zu rechnen, dass sich der Rahmen des BFSG auch in Zukunft immer wieder daran anpasst.
Akteure, Empfehlungen und Verordnungen für digitale Barrierefreiheit im Überblick:
- W3C – Das World Wide Web Consortium ist ein Gremium, das Standards für das Internet entwickelt. Die reichen von Barrierefreiheit für Internetseiten über Internationalisierung bis hin zu Datenschutz und -sicherheit.
- WCAG – Die Web Content Accessibility Guidelines sind Empfehlungen des World Wide Web Consortiums (W3C) und sollen das Internet besser zugänglich machen. Im Oktober 2023 wurde eine aktualisierte Version (2.2) veröffentlicht.
- BITV – Das ist die Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung. Sie basiert auf den WCAG-Richtlinien und ist schon so ähnlich wie das BFSG. Der Unterschied: Die BITV gilt nicht für Unternehmen in der freien Wirtschaft, sondern nur für öffentliche Stellen in Deutschland, also Behörden oder staatlich betriebene Einrichtungen – und das schon seit 2018.
- EEA – Der European Accessibility Act ist die EU-Verordnung zur Stärkung von Barrierefreiheit von Websites, die mit dem BFSG in Deutschland ab 2025 rechtlich umgesetzt wird.
- BFSG – Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz kennt Ihr Ab 2025 werden barrierefreie Websites Pflicht.
Gesetz zur digitalen Barrierefreiheit: Was muss ich jetzt tun?
Zuallererst solltet Ihr in Erfahrung bringen, ob Ihr mit Eurer Website an die Richtlinien des Barrierefreiheit sstärkungsgesetzes gebunden seid. Wenn Ihr über Eure Website Produkte oder Dienstleistungen verkaufen, ist das der Fall. Dann gilt ab Mitte 2025 die gesetzliche Pflicht, Eure Website gemäß BFSG barrierefrei zu gestalten. Das gilt auch, wenn Ihr beispielsweise nur ein Terminbuchungstool auf Ihrer Website eingebunden haben, mit dem Kunden einen Termin für eine Dienstleistung vereinbaren können.
Bis 2030 gibt es in Einzelfällen aber noch Übergangsregelungen, die in Paragraf 38 des BFSG erläutert werden. Auch Kleinstunternehmen sind unter bestimmten Bedingungen von dem Gesetz zur Barrierefreiheit einer Website befreit. Wenn Ihr unsicher seid, solltet Ihr den Rat eines Rechtsbeistandes einholen. Als Agentur dürfen wir keine Rechtsberatung geben. Zur technischen, konzeptionellen und kreativen Umsetzung unterstützen wir Euch aber jederzeit gerne.
Ist meine Website bereits barrierefrei?
Um herauszufinden, wie es um die Barrierefreiheit Eurer Website steht, könnt Ihr selbst vorab verschiedene Tools nutzen. Ein Beispiel ist das Tool Lighthouse. Das ist nativ im Chrome Browser von Google implementiert und liefert einen ersten Anhaltspunkt über die Barrierefreiheit Eurer Website. Allerdings müsst Ihr bei solchen Tools beachten, dass sie nur technische Merkmale prüfen.
Für ein ausführliches und wirklich aussagekräftiges Testing braucht es Fachleute, die Eure Seite manuell überprüfen. Auf jeden Fall solltet Ihr jetzt nicht unnötig Zeit verlieren. Denn je nachdem, wie Eure aktuelle Website aufgebaut ist, kann die Umsetzung von Barrierefreiheit ein umfassender Prozess sein. Gerne beraten wir Euch zu sinnvollen nächsten Schritten.
Barrierefreie Website: Die Pflicht betrifft mich nicht – was tun?
Ihr seid nicht dazu verpflichtet, Eure Website barrierefrei zu gestalten? Es spricht dennoch einiges dafür, das zu tun. Denn eine barrierefreie Website bringt Euch keine Nachteile; ganz im Gegenteil:Eine barrierefreie Website ist ein Statement für Menschlichkeit und Inklusion. Und sie ist eine ideale Gelegenheit, Euer Unternehmen, Eure Marke und Eure Produkte oder Dienstleistungen noch mehr Menschen zugänglich zu machen. Zudem erhöhen Maßnahmen einer barrierefreien Konzeption und Umsetzung einer Website die Sichtbarkeit in den Suchmaschinen. So erweitert Ihr nicht nur potenziell Euren Kundenkreis, sondern werdet auch innerhalb bereits angesprochener Zielgruppen noch sichtbarer.
Möchtet Ihr noch mehr über digitale Barrierefreiheit erfahren? In unserem Whitepaper fassen wir alles Wissenswerte zusammen und liefern Tipps für barrierefreie Websites.