Vom Point of Sale zum Point of Experience: Reanimation statt Apokalypse

Daniel Fries

Von Daniel Fries
Senior Copywriter

Schöne neue Shopping-Welten? Der Point of Sale, so wie wir ihn einst kannten, ist tot. Beerdigt unter einer Flut an Online-Bestellungen, die bei Internethändlern zu satten Umsatzgewinnen und bei vielen Retailern zum Umdenken geführt hat. Ist eine Reanimation möglich? Ja, wenn der Handel geschickt seine Stärken ausspielt. Und aus dem Point of Sale der Point of Experience wird.

Retail? Not dead yet! – welche Vorteile der Point of Sale bietet

Stell dir vor, es ist Samstag und kein Mensch auf der Kö, Kaufinger, Mö, Zeil oder Hohe Straße unterwegs. Was nach dem Albtraum eines jeden Einzelhändlers klingt, wurde in Zeiten des Corona-Lockdowns leider Realität. Kein Shopper weit und breit. Stattdessen Rekordumsätze für Amazon, Zalando & Co.

Auch wenn (fast) jedes Produkt heute nur einen Klick weit entfernt ist, bequem von der Couch aus geordert werden kann, wurde vielen Kunden schmerzhaft bewusst, das irgendetwas fehlt. Denn auch der noch so klug konzipierte Onlineshop kann eines nicht ersetzen: das authentische Live-Shopping-Erlebnis. Zu den Vorteilen des Point of Sale gehören unter anderem:

  • die Haptik – das Produkt anfassen und in die Hand nehmen zu können
  • das Ambiente – Augen und Ohren shoppen bekanntlich immer mit
  • die Anprobe – wie oft schwankt man zwischen verschiedenen Größen oder hat sich spontan noch umentschieden?
  • eine persönliche Beratung – mit viel Witz und noch mehr Charme, den selbst der beste Chat-Bot auf der Welt nicht imitieren kann 

Hinzu kommen weitere Vorteile, die den Handel gegenüber dem E-Commerce gar nicht mehr so alt(backen) aussehen lassen. Stichwörter sind hier:

  • direkte Verfügbarkeit
  • unkomplizierter Umtausch
  • kurze Transportwege
  • Interaktion/Austausch
  • Curated Shopping (ausführliche und individuelle Beratung) 

Nicht zu verachten ist außerdem die soziale Komponente. Man trifft sich mit Freunden, um gemeinsam shoppen zu gehen, sich auszutauschen, eine gute Zeit zu haben. Vielleicht kauft man deshalb nicht mehr, aber spontaner und mit viel mehr Spaß allemal.

Der Shop als „Brand-Begegnungs-Stätte“ – wie der Point of Sale zum Point of Experience wird

Wer diese Vorteile als Retailer erkennt und entsprechend handelt, hat gute Chancen, nicht zu verschwinden, sondern im Gegenteil wie ein Phönix aus der Asche zu steigen und ein zweites, aufregendes Leben zu führen. Was dafür nötig ist? Den Store nicht mehr als Verkaufs-, sondern viel mehr als Inszenierungsfläche zu betrachten. Für aufregende Live-Events vom Late-Night-Shopping bis hin zum In-Store-Konzert oder Kunst-Happening. Die Challenge: aufregend, neu und vor allem anders als die anderen zu sein. Der Shop wird zur Erlebniswelt. Zur „Marken-Begegnungsstätte“. Zum Point of Experience eben.

Um die erste Neugier (Awareness) zu befriedigen, für einen (ersten) heftigen Flirt (Consideration) zu sorgen oder um den finalen Kaufimpuls (Conversion) zu setzen. Letztlich spielt es dann gar keine Rolle mehr, wo der Kunde den Kauf tätigt – direkt im Laden oder online zu Hause auf der Couch. Wichtiger als die schnöden Umsatzzahlen wird die positive Markenwahrnehmung, die sich richtig getätschelt, gut behütet und in verträglichen Dosen aufgefrischt als wertvoller Schatz erweist. Wer gute Erfahrungen gemacht hat, kauft gerne wieder. Egal ob online oder offline. Das Smartphone ist eh ein ständiger Shoppingbegleiter. Und kann, gezielt angesprochen bzw. eingesetzt, zum wichtigen Botschafter und direkten Draht zwischen Marke und Kunde werden (Stichwörter sind hier: e-Couponing, Customization, exklusive Pre-Order-Möglichkeit etc.).

Wer es schafft, aus dem Einkauf ein Erlebnis zu machen, hat schon das halbe Produkt in der Shopping-Bag. In jedem Fall verlässt der Kunde den Store gut gelaunt, inspiriert und voller Vorfreude auf das nächste Event. Im besten Fall hat er dann noch eine Einkaufstüte in der Hand. Wie man eine Marke erfolgreich aktiviert? Erfahren Sie in unserem Brand Activation Whitepaper.

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Point of Experience: „Schön, dich zu sehen“ statt „Kauf jetzt endlich!“

Das wichtigste Kapital des Händlers, das ihm hierbei zur Verfügung steht, ist nicht die Immobilie oder die exponierte Lage. Es ist vielmehr der direkte Zugang zum Kunden. Wer weiß, wie seine Zielgruppe tickt, kann sie mit den richtigen Events in seinen Laden oder Pop-up-Store holen, sie von seinen Produkten begeistern und aus Followern „echte“ Fans machen. Die größte Herausforderung liegt dabei in der konsistenten Kommunikation. Jede Handlung birgt das Risiko des Kommunikationsabbruchs. Ein Event, das nicht zur Marke passt, oder ein falsches Posting können aus einem „Gefällt mir“ schnell ein „Gefällt mir nicht mehr“ machen. Nur durch eine authentische Marke und eine stringente Brand-Experience lässt sich der Kaufimpuls auch von offline zu online oder umgekehrt aufrechterhalten bzw. verlängern.

Next Shopper Generation – die neue Customer Journey

Schön und gut, könnte man jetzt vielleicht meinen. Aber die jungen Leute hängen doch heute eh nur noch 24/7 vor ihren Smartphones, Tablets oder Laptops. Einige bestimmt, aber nicht die große Mehrheit. Im Mindset junger Leute gewinnen Erlebnisse eine immer größere Bedeutung. Materielle Werte hingegen werden unwichtiger. 78 % der Millennials geben ihr Geld lieber für ein Erlebnis oder eine Veranstaltung aus, statt für die neuesten Sneakers.

Warum? Live Marketing sorgt für echte Emotionen und Interaktionen. Man kann es schmecken, riechen, fühlen und lange Zeit in guter Erinnerung behalten. Live-Events beeinflussen das innere Markenbild der Kunden und tragen langfristig dazu bei, die Markenloyalität auf- und auszubauen. Als Teil der Customer Journey sind sie heute unverzichtbar. Denn der Kunde trifft seine Kaufentscheidungen meist gar nicht so unmittelbar, wie man vielleicht landläufig denkt. Und nicht unbedingt in Abhängigkeit des konkreten Ladenumfelds und -settings. Es sind weitere Kontextfaktoren wie die eigenen Präferenzen, bisheriges Wissen und Erfahrungen, aber auch die bewussten und unbewussten Werbekontakte, welche Auswirkungen auf sein Kaufverhalten haben. Dazu gehört auch die Möglichkeit, die erworbenen Produkte noch vor Ort oder online personalisieren zu lassen.

Fazit – der Mix macht’s

Auch wenn der Boom des Online-Handels für den stationären Handel eine ernst zu nehmende Konkurrenz darstellt, gleich die Waffen zu strecken, braucht er deshalb noch lange nicht. Es gilt, verloren gegangenes Terrain zurückzugewinnen. Erstaunlich, aber wahr, liegt die Zukunft des Handels in der Rückbesinnung auf alte Werte („Tante Emma Prinzip“): kleinere Stores, Nahbarkeit, Community und ein ausgefeiltes Kunden-Brand-Beziehungsmanagement. Eine orchestrierte Kombination aus social, local, online und mobile – Live-Events vor Ort mit Leuchtturmeffekt, besonderen Offern im Onlineshop und exklusiven Presales für Follower oder Newsletter-Abonnenten. Aus dem Store-Manager wird der Customer-Relation & Expectation-Manager.

Um die Customer Journey der modernen Shopper zu verstehen, ist es dabei notwendig, in Bedürfnissen zu denken, statt in Kanälen. Multi-Channel mit Online-to-Offline- genauso wie Offline-to-Online Maßnahmen gehört deshalb in den Marketing-Baukasten jedes Händlers. So hart es vielleicht klingen mag: Wer online nicht die Werbetrommel für seinen Store rührt, bekommt einen Großteil seiner Kunden offline erst gar nicht zu sehen. Mut ist gefordert, genauso wie Kreativität und Spontanität.

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Brand Activation: Weil Marke verkaufen muss